Der Besuch der alten Dame

Erlanger Nachrichten 10.03.16

Erlanger Nachrichten 10.03.16

,,Die schlimmstmögliche Wendung, die eine Geschichte nehmen kann, ist die Wendung in eine Komödie‘‘ (Friedrich Dürrenmatt)

Güllen. Der Name der kleinen Stadt.

Ruiniert, zerfallen, verwahrlost.

Dann

Die erbärmliche Bahnhofstraße

Alles in heiße Herbstsonne getaucht.

Die steinreiche ,,alte Dame‘‘ Claire Zachanassian besucht nach vierzig Jahren das inzwischen verarmte Städtchen ihrer Jugend und verspricht den Bewohnern Milliarden für einen wirtschaftlichen Aufschwung. Sie hat nur eine Bedingung: Ihre einstige Jugendliebe Ill muss sterben. Als Parodie auf die Wohlstandsgesellschaft konzentriert sich das Drama auf die Frage: Geld oder Leben?

P. Schmeling

 

Erlanger Nachrichten 10.03.16

ECKENTAL (ik) _ Gefühlte Gerechtigkeit, Korruption und Menschen, die am Ende für Geld einen Mord begehen: „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt ist 60 Jahre nach seiner Uraufführung so aktuell wie damals. Die Theater-AG des Gymnasiums Eckental hat den Klassiker des Schweizer Autors nun auf die Bühne gebracht. Eltern und Mitschüler applaudierten an zwei Abenden kräftig.

Klassisch und ohne Schnörksel erzählt die Inszenierung unter der Leitung von Peter Schmeling die Geschichte der späten Rache, die die in ihrer Jugend von ihrem Liebhaber Alfred Ill sitzen gelassene Claire Zachanassian an ihm und dem Städtchen Güllen übt. 45 Jahre, nachdem sie den Ort, der irgendwo in einer Provinz liegt, unehrenhaft verlassen musste, hat die zu Geld gekommene Milliardärin die Wirtschaft des Städtchens durch Aufkäufe bewusst ruiniert und setzt die verarmten Einwohner unter Druck: eine Million will sie ihnen schenken, wenn ihr ehemaliger Liebhaber stirbt. Zunächst lehnen die Bewohner das Angebot ab, der Bürgermeister verweist auf den Rechtsstaat, der Pfarrer predigt, auch die Familie hält zu Ill. Doch die Aussicht auf ein besseres Leben und Wohlstand lockt und der Wall des Rückhalts beginnt zu bröckeln…

Die Inszenierung der Theater-AG des Eckentaler Gymnasiums konzentrierte sich auf die Dialoge und verzichtete weitgehend auf Requisiten. Eine karge Bühne in der Mensa ist die Basis, auf der der Stimmungswandel der Menschen plastisch wird. Optisch manifestiert er sich in schicken Klamotten, die die Bewohner von Güllen alsbald nach dem Angebot der Milliardärin auf Pump zu kaufen beginnen. Inhaltlich am Abrücken von Alfred Ill, der am Ende tot am Boden liegt. Die Debatte über seine vermeintliche Schuld und das Flehen des Pfarrers, die Menschlichkeit zu behalten, täuschen nicht darüber hinweg, dass sie nur ein Feigenblatt sind, das verdecken soll, um was es eigentlich geht: nämlich Geld.

Die gut zwei Dutzend Mitwirkenden der Theater AG des Gynasiums, allen voran Anne Bodendörfer als groteske Milliardärin Claire, die ihre Ehemänner auf der Bühne herumkommandiert und Fabian Paulitschek als nach und nach geläuterter Alfred Ill machen ihre Sache gut und holen das Stück Dürrenmatts, das zigfach auf Bühnen und in Filmen wiederbelebt wurde, ins Heute. Güllen könnte, wenn auch vielleicht nicht in dieser Konsequenz, überall sein, ist die Botschaft, vermeintliche Gerechtigkeit oft eine Farce.

 

Eindrücke von der Generalprobe